Eisdorf. Frauen sind jetzt erstmals offiziell im Ehrenamt beim Eisdorfer Schüttenhoff mit dabei. Wie das Dorf das historische Ereignis gebührend feiert.

Frauen als offizieller Teil des Schüttenhoffs? In einer jahrhundertealten Männerdomäne? Das gibt‘s doch nicht. Doch! Ab sofort in Eisdorf im Harz. „2023 haben wir Geschichte geschrieben. Da war es noch eine Protestaktion. Künftig werden wir als starke Frauen gleichberechtigt den Schüttenhoff Eisdorf bereichern“, freut sich Chiara Teuber, Majorin der Frauenkompanie. Am Dienstag, 30. April, konnte das historische Ereignis im Ort gebührend gefeiert werden - auch mit Gästen aus Badenhausen und Dorste. Die Frauenkompanie, die sich zugleich am 30. April 2024 gründete, ist jetzt offiziell in den Schüttenhoff aufgenommen. Damit hat der Verein in Eisdorf eine Vorreiterrolle im Sösetal. Die Schützenmeister Jörg Nienstedt und Lars Becker unterstreichen: „Tradition ist wichtig, aber damit fügen wir unserer Geschichte künftig neue, schöne Kapitel hinzu!“ Dem stimmt auch Majorin Teuber zu: „Tradition darf sich weiterentwickeln. Starke Frauen sollten überall Teil des Lebens sein.“

Schüttenhoff Eisdorf keine reine Männerdomäne mehr

Und die Tradition beim Schüttenhoff ist alt: „Aufzeichnungen gibt es seit circa 1680. Erste offizielle Fotos unseres Schüttenhoffs haben wir aus dem Jahr 1912“, berichtet Jörg Nienstedt. Entstanden sei die Tradition im 17. Jahrhundert wohl, weil der damalige Landesherr kein Geld hatte, um eigene Kompanien zu unterhalten. So übten die Männer auf den Dörfern dann den Umgang mit Musketen. „Das hieß dann, die Schützen halten Hof“, so Nienstedt und erklärt: „Der Schüttenhoff gehört zu Eisdorf. Das Dorf nimmt es super an und steht zusammen. Erstmals trat nun aber am 30. April bei uns eine Kompanie außerhalb des Schüttenhoffs an.“ Ebenfalls mit großem Rückhalt aus dem Ort: „Im kleinen Dorf ist es schwierig, etwas zu verändern. Aber wir haben generationenübergreifend viele positive Stimmen für die Frauenkompanie - und Schützenmeister, die uns unterstützen“, betont Teuber.

Die Schützenmeister Lars Becker (links) und Jörg Nienstedt.
Die Schützenmeister Lars Becker (links) und Jörg Nienstedt. © Verein | Martin Becker

Schützenmeister Nienstedt erläutert: „Der Schüttenhoff wird in der Regel alle vier Jahre begangen. Es gab aber auch schon Ausbrüche, wie zum Beispiel Pausen durch die beiden Weltkriege. Während der NS-Zeit war der Verein verboten. 1962 gründete sich der Schützenverein Eisdorf, dann wurde das Schützenhaus gebaut, das wir mitnutzen dürfen. Und 1964 konnten wir nach 1929 erstmals wieder den Schüttenhoff veranstalten. Auch während Corona mussten wir pausieren, sodass der Abstand zum letzten Mal in 2023 sechs Jahre betrug. Der nächste Schüttenhoff soll 2027 wieder im gewohnten Rhythmus stattfinden.“

Die Frauenkompanie mit den Schützenmeistern.
Die Frauenkompanie mit den Schützenmeistern. © Verein | Martin Becker

Tradition Schüttenhoff im Harz: Wie werden die Chargierten gewählt?

Organisiert wird das dreitägige Fest jeweils von den sogenannten Chargierten des Vereins, der bisher aus Junggesellenkompanie und Männerkompanie bestand. Die Chargierten werden für vier Jahre ernannt. Jeder sucht sich ganz im Geheimen seinen Nachfolger. Diese werden dann erst am letzten Abend des Schüttenhoffs bekannt gegeben. „Die Frauen sind jetzt auch offiziell gleichberechtigte Chargierte. In diesem Fall also Majorin Chiara Teuber und Adjutantin Elisa Gorke - beide aus Eisdorf - sowie als Fahnenfrau Angela Mügge aus Willensen“, so Nienstedt. Dazu Majorin Teuber: „In Förste gibt es schon länger eine Frauenkompanie. Aber Frauen waren auch immer Teil des Eisdorfer Schüttenhoffs.“ Nienstedt ergänzt: „Sie bauen die Barrikaden, ebenso wie Männer, die nicht im Festumzug mitmarschieren. Wir veranstalten das Bestemann-Schießen. Es wird der Bestemann und der Junggesellen-Bestemann ausgeschossen. Von 1985 bis 1989 ging es zusätzlich um die Bürgerscheibe, auf die alle schießen durften - auch Frauen. Seither gibt es neben den Bestemännern nur noch die Bürgerkönigin. Und vielleicht gibt es in der Zukunft ja auch mal eine Schützenmeisterin.“

Das ist die Verantwortung der Ehrenamtlichen beim Schüttenhoff Eisdorf

Weil die Schützenmeister für die Festveranstaltung immer Verträge schließen müssten wie zum Beispiel mit der Festwirtin und dafür immer mit eigenem Kapital gehaftet hätten, sei schließlich 2011 der Schüttenhoff e.V. gegründet worden. Das habe die vertraglichen und finanziellen Dinge erleichtert. Früher habe zudem die Festwirtin alles mitgebracht - etwa Zelt, Kapellen und Schausteller, das habe sich aber geändert. Heutzutage müsse man hierfür selbst tätig werden und frühzeitig buchen. Und auch die Gema kassiere hohe Summen.

„Das Ehrenamt bringt also viel Verantwortung mit sich. Darum muss man die Nachfolge in den verschiedenen Position mit Bedacht wählen. Ob wir bei all den hohen Auflagen und Kosten auch in Jahrzehnten noch aufrechterhalten können, jeweils von Freitag bis Sonntag zu feiern, ist ungewiss. Was können wir uns noch leisten?“, fragt sich Schützenmeister Becker. Um die finanziellen Mittel zu generieren, veranstalte der Verein übers Jahr verschiedene Feste im Ort. Aber seit etwa 30 Jahren gebe es hier keinen Tanz in den Mai mehr. Vielleicht könnten sie durch die diesjährige Feier am 30. April wieder etwas ins Leben rufen, das dann eventuell künftig zwei Vereine gemeinsam ausrichten. „Aber es werden ganz sicher weiter Barrikaden gebaut. Es wird genug Frauen geben, die einen schönen Nachmittag mit der Gaudi haben, den Umzug dadurch aufzuhalten“, sind die Schützenmeister sich sicher. „Wir werden an den Hindernissen weiter die verschiedensten Aufgaben lösen und uns mit Geld freikaufen. Aber jetzt darf eben auch die Frauenkompanie mitmarschieren.“

Die Chargierten mit Bürgerkönigin und den Bestemännern in Eisdorf.
Die Chargierten mit Bürgerkönigin und den Bestemännern in Eisdorf. © Verein | Martin Becker

Schüttenhoff Eisdorf: Protestaktion in 2023 und Gänsehautmoment in 2024

„Mit unserer Majorin Daniela Diener und Adjutantin Mareen Ueberschär durften wir 2023 im Umzug mitmarschieren - 25 Frauen, noch in bunten Protestfarben, aber der Gleichschritt hat sofort geklappt. Möglich gemacht haben das die damaligen Schützenmeister Wilhelm Dunker und Michael von Einem“, so die neue Majorin Chiara Teuber. „Jetzt werden wir uns der Kleiderordnung angleichen und weiße Blusen und schwarze Hosen tragen. Unseren ersten offiziellen Auftritt wird unsere Frauenkompanie im Juni beim Badenhäuser Schützenfest haben. Wir gehen also in einem Dorf mit, das noch keine Frauenkompanie hat.“

Beim Treffen am Sonntag, 28. April, habe sie einen echten Gänsehautmoment erlebt: „Es waren mehr Frauen dort, als ich erwartet habe, auch aus Willensen. Und wir sind ein bunt gemixter Haufen - von der Auszubildenden bis zum Alter von circa. 60 Jahren. So ist der Erhalt der Frauenkompanie gesichert und wir profitieren von der Erfahrung der Älteren, die schon seit Jahren beim Schüttenhoff dabei sind. Wir sind offen für alle Frauen aus Eisdorf und Willensen und schließen niemanden aus. Auch der Barrikadenbau geht weiter, man kann sich aber auch in die Kompanie einreihen. Wir wollen das offen gestalten, um weiterzubestehen“, so die Majorin abschließend.

Die Kompanien des Schüttenhoff in Eisdorf.
Die Kompanien des Schüttenhoff in Eisdorf. © Verein | Martin Becker

Sie entscheiden, auf welche Art Sie unsere Nachrichten empfangen möchten. Das sind alle digitalen Kanäle des Harz Kurier im Frühsommer 2024:

  • Bei Facebook und X (ehemals Twitter) finden Sie unsere altbewährten Social-Media-Auftritte
  • Bei Instagram bereiten wir Nachrichten visuell auf und posten kurze Videos in Form von Reels, die Sie manchmal auch in Artikeln wiederfinden
  • Unsere HK News-App hat mit dem aktuellen Update vor allem Funktionen für Vielleser in petto, wie eine Leseliste
  • Über die App und unser Nachrichtenportal auf www.harzkurier.de können Sie außerdem Push-Nachrichten abonnieren, um zeitnah über Geschehnisse informiert zu sein - einfach das Glocken-Symbol auswählen
  • In unserem abendlichen Newsletter „HK Kompakt“ schreiben unsere Redakteurinnen und Redakteure über Themen, die sie gerade persönlich bewegen
  • Auf WhatsApp finden Sie unseren neuen Kanal „Harz Kurier“ über das Symbol „Aktuelles“ und die Suche im Abschnitt „Kanäle“, oder direkt unter kurzelinks.de/hkwa

Mehr aktuelle News aus der Region Osterode, Harz und Göttingen: